»Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war und von einem Mann entdeckt wurde. Der Mann freute sich so sehr, dass er, nachdem er den Schatz wieder vergraben hatte, alles verkaufte, was er besaß, und dafür den Acker kaufte.

Mit dem Himmelreich ist es auch wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte dafür diese eine Perle.«

Matthäus 13, 44-46

Liebe Gemeinde,

ich möchte tauschen mit dem Mann auf dem Acker. Er findet einen Schatz – wie aus dem Nichts. Ich habe diesen entscheidenen Moment vor Augen: Der Mann sieht in der Ackerfurche ein Tongefäß, halb offen, dutzende Silberstücke funkeln in der Sonne. Ihm läuft es heiß und kalt über den Rücken. Er erschrickt vor seinem Glück. Er kann es kaum fassen. Aber eines weiß der Mann jetzt: Sein Leben wird von jetzt an anders sein. Ich möchte tauschen mit dem Mann auf dem Acker. Ich möchte diesen einen Moment fühlen können.

Noch am Tag zuvor war das Leben dieses Mannes grauer schwerer Alltag – alles andere als beneidenswert. Jesus skizziert das Leben eines Menschen in wenigen Worten: Dieser Mann lebt wie auf einer schiefen Ebene, immer ist er in Gefahr noch weiter abzurutschen. Dieser Mann geht auf einen Acker, der ihm aber nicht gehört. Ein bedeutsames Detail, das Jesus hier einflechtet. Der Mann hat dieses Stück Land nur gepachtet. Ein Schicksal, das damals viele Kleinbauern durchgemacht haben. Früher hatte ihm ein Stück Land selbst gehört. Damit konnte er seine Familie ernähren. Am Anfang lief es mit dem Hof auch passabel, bis Missernten ihm einen Strich durch die Rechnung machten. Er konnte den Hof nicht halten. Also hat er sein Land verkauft und dieses Stück Land gepachtet. Die Großgrundbesitzer haben in der Regel die guten Ackerflächen selber bewirtschaftet und die anderen verpachtet. So steht der Mann jetzt auf einem Stück Land minderer Qualität und versucht sein Bestes, die Familie durchzubringen, das Geld für die Pacht zu erwirtschaften, um nicht weiter abzurutschen.

Ich muss an einen Milchbauern aus meiner Gemeinde denken, den ich immer wieder mal besuche. Er ist jetzt Ende 50. Vor Jahren hat der Mann in seinen Betrieb investiert. Er hat einen großen Stall gebaut, er hat Land dazugekauft und einiges gepachtet. Alles war gut kalkuliert, bis die Milchpreise fielen und damit die Einnahmen wegbrachen. Jetzt lohnt der Betrieb kaum noch. Wenn ich vor dem Milchregal stehe und entscheiden muss, welche Milch kaufe ich – die billige oder die teure – denke ich an diesen Mann.

Den Landwirt bedrängen die Fragen, wie kann er die Kredite bedienen? Schafft er die Arbeit noch? Hält er gesundheitlich durch? Letztes Jahr streikte sein Körper. Die Hände schwollen an, so dass er nicht mehr arbeiten konnte. Er konnte die Arbeit nur noch bewältigen, weil er Medikamente genommen hat. Denn der Betrieb muss laufen, die Kredite müssen abgezahlt werden. Der Mann lebt wie auf einer schiefen Ebene –immer in Gefahr, abzurutschen, seine Gesundheit zu ruinieren und den Hof zu verlieren.Wie der Bauer im Gleichnis, zählt er nicht die Stunden, sondern arbeitet, so hart er kann.

Zurück zu dem Bauern im Gleichnis. Ich habe das Bild vor Augen, wie er mit seinem Pflug die Furchen zieht. Immer wieder sammelt er die Steinbrocken vom Feld, damit der Pflug nicht stecken bleibt. Dann geschieht genau das. Der Pflug hängt fest. Ärger steigt in ihm hoch. Er hat schon ein Schimpfwort auf den Lippen. Dann findet er den Schatz mitten im Acker. Er weiß, wenn er jetzt konsequent handelt, wird der Rest seines Lebens anders sein.

Liebe Gemeinde,

zu Lebzeiten Jesu war das Finden eines Schatzes der Traum vieler Menschen. Es sind uns etwas mehr als 20 Geschichten überliefert, die Menschen sich damals erzählt haben. Ein Mensch findet einen Schatz und dann dreht sich das Leben. Weil es damals keine Banken oder Sparkassen gab, die Gelder und Wertgegenstände sicher aufbewahrt haben, war es üblich, größere Geldsummen und Wertgegenstände zu vergraben, damit sie nicht gestohlen wurden. Manche Schätze konnten vom Besitzer nicht wieder geborgen werden. Sie blieben im Boden versteckt, bis jemand durch Zufall auf sie stieß. Es war für viele Menschen zur Zeit Jesu ein Traum, so einen Schatz zu finden. Die Angst und Not hat ein Ende – für immer!

Diese Sehnsucht gibt es bis heute. Viele spielen Lotto mit der Hoffnung, mal richtig Geld zu machen. Ein Sechser mit Zusatzzahl, das wäre es doch. Ich bekenne: Als im Jahr 2007 der Jackpot bei 45 Millionen Euro lag, konnte ich nicht widerstehen und habe mit gespielt. Nein, ich habe nicht gewonnen. Aber es war interessant, in der Schlange in der Lottoannahmestelle zu stehen. Ich kam ins Gespräch mit den Menschen um mich herum. Was würdest Du denn machen mit dem Gewinn? Ein Frau schwärmte von einer großen Reise, die sie gerne machen würde. Ein anderer Mann träumte davon, ein Haus zu bauen. Gewonnen haben damals andere. Wir gingen leer aus, aber wir haben uns unsere Träume erzählt. Ich weiß, dass in unseren Gemeinden lange Glückspiel verpönt war, aber eine monatliche Sofortrente hat schon ihren Reiz – vor allem, wo man nicht weiß, wie unsere Altersvorsorge einmal aussehen wird! Auch wenn es gewagt ist, in methodistischen Kreisen von Lotto zu sprechen, folgen wir mal Jesus nach. Er kannte die Sehnsüchte der Menschen seiner Zeit. Ich bin mir sicher, heute würde er sich nicht scheuen, einen Lottogewinn zum Thema seiner Predigt zu machen.

Liebe Gemeinde,

wir können an diesem Doppelgleichnis etwas davon erfahren, wie Jesus Gott sieht! Welche Gefühle sind da in ihm, wenn er an Gott denkt? Wir können davon ausgehen, dass Jesus von Gott mehr versteht als wir alle. Und dieses Gleichnis lässt uns fühlen, was Jesus von Gott weiß:

Gott zu begegnen, mit seinem Reich in Kontakt zu kommen, ist wie ein unverhofften Schatz zu finden, eine Überraschung, überschäumende Freude, Glück, und das ganze Leben ändert sich und ich muss keine Angst mehr haben, keine Sorgen mehr haben.

Das erlebt ein Mensch, wenn Gott in sein / in ihr Leben tritt. Das ist Leben im Reich Gottes! Wieviele Menschen denken bei Gott immer noch an diese Karikatur von einem alten Mann mit Bart über den Wolken. Oder Gott ist eine Kraft im Universum, die im Hintergrund alles steuert, aber er ist weit weg von mir. Oder Gott ist ein Aufpasser, der genau schaut, ob wir alles richtig machen. Nein, Jesus sieht Gott anders. Ihm zu begegnen ist das Beste, was einem im Leben geschehen kann.

Jesus hat die Sehnsucht der Menschen seiner Zeit aufgenommen, aber er verändert sein Gleichnis an einem entscheidenen Punkt: In allen Schatzfundgeschichten der Zeit Jesu findet der Bauer den Schatz auf seinem eigenen Boden oder auf neutralem Grund. Das verändert Jesus in seiner Erzählung. Der Schatz ist auf fremden Boden. Der Bauer muss also sehen, wie er in Besitz des Schatzes kommt. Das ist ein entscheidender Unterschied. Gott ist nicht auf unserem Grund und Boden. Gott ist anders, er ist nicht Teil unserer Innenwelt, in einem hinteren Teil unserer Seele zufinden. Er ist unverfügbar. Wie haben wir es bei Jesaja gehört: Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, meine Wege sind nicht eure Wege.

Wir besitzen Gott nicht. Und auch wir als Kirche, die wir gerne von Heilsgewissheit predigen, auch wir machen die Erfahrung, dass Gott uns fern ist und unverfügbar. Ich glaube, dass viele von uns sich in unserer Kirche engagieren und arbeiten, weil wir einmal Kontakt hatten mit dem Schatz. Wir haben das Funkeln gesehen. Wir kennen das Glück, in der Nähe Gottes zu sein. Aber wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass wir dieses Glück nicht festhalten können. Wir können das Reich Gottes nicht konservieren in unserer Kirchenordnung. Wir können es nicht reproduzieren mit den Beschlüssen unserer Konferenzen. Wir haben einmal Kontakt gehabt mit dem Schatz. Und jetzt sind wir wieder Suchende … Ja, wir spüren, dass wir als Kirche auf eine schiefe Ebene geraten sind. Was vor Jahren noch gut funktioniert hat, droht uns wegzurutschen. Und deswegen arbeiten wir härter und länger mit großem Einsatz.

Liebe Gemeinde,

es ist unsere Chance, dass Jesus dieses Gleichnis in zwei Varianten erzählt. Der Bauer findet zufällig diesen Schatz im Acker. Der Kaufmann sucht beständig nach der einen schönen Perle. Das Reich Gottes zeigt sich in beiden Varianten. Jesus sagt uns: Habt beide Möglichkeiten im Blick! Beides gibt es. Und ich glaube, wir sind an dem Punkt, dass wir wie der Kaufmann nach der Perle suchen. Leidenschaftlich, mit Geduld und Sehnsucht. Was ist, wenn wir sie in diesen Tagen unserer Konferenztagung finden? Deswegen sind wir hier, um auf die Suche zu gehen, miteinander. Der entscheidende Punkt wird sein: Wie kommt der Kaufmann in Besitz der Perle? Wie kommt der Bauer in den Besitz eines Schatzes? Beide verkaufen alles, was sie haben.

Auf einer Distriktsversammlung in Braunfels wurde uns diese Geschichte mit Godly-Play Figuren vorgespielt und erzählt. Wir sahen vor uns das Haus des Kaufmannes als Grundriss. Da stand ein Sessel drin, ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett. Als der Kaufmann die Perle gefunden hatte, ging er ins Haus und holt den Sessel raus und verkaufte ihn. Dann den Tisch, den Stuhl, schließlich das Bett. Und ich traute meinen Augen kaum. Verkauft der wirklich alles? Und ich fragte mich, würde ich das auch können? Alles hergeben!? Beim Sessel konnte ich mitgehen. Der ist verzichtbar. Beim Tisch und Stuhl auch. Beim Bett wollte ich schon rufen: „Mensch, Kaufmann! Überlege dir das gut!“ Aber er machte weiter. Und zuletzt wurde das ganze Haus abgerissen. Das ist auch ein Teil der Botschaft, die Jesus uns mitgibt. Du kannst Gott nicht zusätzlich haben! Gott lässt sich finden, aber nicht unter Wert. Bist du bereit, das herzugeben, was dir bisher das Wichtigste war?

Liebe Gemeinde,

welches Gefühl habt ihr jetzt im Bauch? „Wusste ich doch, dass irgendwo der Haken ist!“ Es war so schön: Gott erleben ist so wie einen Schatz zu finden. Und dann ändert sich alles! Und jetzt kommt die Rechnung: Der Preis ist hoch. Ich muss alles hergeben.
Ja, der Kleinbauer verkauft alles. Auch der Kaufmann, der mit Perlen handelt. Der ist reich, der geht mit großen Summen um. Hätte Jesus da nicht mal eine Ausnahme machen können und sagen 50 Prozent reichen mir! Nein, der Kaufmann verkauft alles. Aber das Beglückende ist doch, dass beide – Bauer und Kaufmann – nicht einen Moment zögern. Keine Sekunde. Sie wissen, sie bekommen ungleich mehr zurück. Der Schatz, die Perle übersteigt an Wert alles, was sie haben. Für den Kleinbauern ist es keine Überwindung, alles zu verkaufen. Das fällt ihm nicht schwer, keinen Moment: Es heißt: „In seiner Freude verkaufte er alles, was er hatte.“ Es treibt ihn die Freude, die Aussicht jetzt anders leben zu können.

So kann es sein, wenn Gott in das Leben eines Menschen tritt. Der gibt alles auf, aber schwer fällt es ihm nicht. Auch der Perlenkaufmann ist so fasziniert von der Perle – er verkauft alles und er gewinnt in seinen Augen noch mehr als alles. Was beide antreibt, ist die Freude! Das Gleichnis will zeigen, wie selbst verständlich solche Hingabe ist. Hingabe zum Reich Gottes, die weiß und spürt, das Reich Gottes ist das alles wert, was wir drangeben müssen. Das Reich Gottes ist Fülle und Freude. Und sich darauf einzulassen, heißt, sich von Freude treiben lassen.  Stellt euch vor, wir hätten wieder reichliche finanzielle Mittel. Wir finden einen realen Schatz. Ja, das wäre schön, aber es ist nicht das Eigentliche. Das Eigentliche ist, diese Freude in sich zu haben, die den Perlenkaufmann und den Bauern bewegen. Sie haben keine Angst, zu verlieren. Dieses Gleichnis zeigt zwei Dinge, die einfach zusammen gehören, die Freude Gott zu finden und dann ohne Zögern, alles herzugeben – ohne Wehmut ohne Verlustängste. Gott ist mir das wert, er ist anspruchtsvoll und kostbar.

Am Ende stehe ich da immer noch mit meinen Ängsten: Mit meinen Ängsten um meine Kirche und um mich selbst. Arbeite ich denn genug? Warum gelingt es so selten, Menschen für den Glauben zu gewinnen? Wie schaffen wir es, in unserer Kirche Zukunft zu suchen?

Was bewegt Euch? Kämpft bei Euch auch die Freude mit der Angst? Lassen wir uns leiten von den Worten Gottes: Sucht den Herrn, solange er sich finden lässt, ruft ihn an, solange er nahe ist.

Wir haben solche starken Geschichten – wie die vom Schatz im Acker oder von der Perle. Es lohnt sich die Augen offen zu halten. Gott ist verborgen, wie ein Schatz im Acker, aber es geschieht, dass wir etwas von ihm erfahren, und das stellt unsere Leben auf den Kopf. Lasst uns Ausschau halten nach Gott.

Ich möchte tauschen mit dem Mann auf dem Acker. Ich habe Sehnsucht danach. Der Mann auf dem Acker findet einen Schatz – wie aus dem Nichts. Ich habe diesen entscheidenen Moment vor Augen: Er sieht in der Ackerfurche ein Tongefäß, halb offen, dutzende Silberstücke funkeln in der Sonne. Ihm läuft es heiß und kalt über den Rücken. Das ist der Anfang eines neuen Lebens. Alles wird sich ändern. So ist Gott. Amen.



Diese Predigt hat Pastor Michael Putzke zur Eröffung der Norddeutschen Jährlichen Konferenz am 6. April 2016 in Braunfels gehalten. Die Konferenz ist das Parlament, das die Evangelisch-methodistische Kirche im Norden Deutschlands leitet.