Katharina Lange schleppt einen großen Koffer auf die Kanzel.
Kommt euch diese Szene bekannt vor? Die drei Jugendlichen wissen, worauf ich anspiele? Der Gemeinde muss ich es erklären.
Liebe Gemeinde, eine Woche vor Ostern sind wir zusammen zu einer Teeniefreizeit gefahren. Als wir uns auf dem Bahnhof trafen, staunte ich über die Koffer, die sie anschleppten. Lea und Melani, nicht Marcel, dem genügte eine Reisetasche.
Ich habe gerätselt, was ihr da wohl alles für die dreieinhalbtägige Freizeit eingesteckt habt. Genügend Proviant – das versteht sich von selbst. Musik und die entsprechenden Geräte zum Abspielen. Ausreichend Garderobe: Ihr ward tip-top und sehr abwechslungsreich gekleidet. Da konnte unsereine nicht mithalten. Aber das war ja nicht alles. Auf der Rückfahrt blieb mir der Mund offen stehen. Da kramtest du, Melani in deinem Gepäck und holtest so was hervor:
(Katharina holt mehrere Brillen aus Koffer)
Brillen – bestimmt vier Stück in unterschiedlichen Farben und Formen. Sonnenbrillen und andere mit einfachen Gläsern.
Du hast mir damit eine Vorlage für die heutige Predigt gegeben.
Ich habe nämlich länger über die Brillen nachgedacht – und da habe ich eine ganze Menge Parallelen zum Glauben gefunden.
Früher hat man Brillen nur getragen, wenn man es musste. (Katharina setzt eine bunte Brille auf.) Da gab es auch nicht solche schicken Brillen. Die Brillen waren schwer, drückten auf der Nase. Die sahen eher so aus. (Katharina setzt eine Tropfenbrille auf.) Und den Titel Brillenschlange hatte man schnell weg. Viele unter uns tragen ihre Brillen, weil sie müssen, aber von euch habe ich gelernt, man trägt Brillen auch mal nur zum Schmuck.
Es sind Modeaccessoires, mit denen man auf sich aufmerksam machen will. Schaut her, wie schön oder cool ich bin. Schaut mich an, seht mir in meine Augen. Solch eine Schmuck-Brille trägt man gern.
Und wie ist das mit dem Glauben? Wie sichtbar und spürbar ist es für andere, dass ich an Jesus Christus glaube?
Ich schäme mich des Evangeliums nicht. (Röm 1,16) hat der Apostel Paulus mal gesagt. Das bedeutet: Ich bekenne mich zu meinem Glauben. Ich schäme mich des Glaubens nicht. Ich verstecke mein Christsein nicht, ich zeige es auch anderen. Ich bin sogar stolz darauf. Ich mache meinen Glauben öffentlich. Das ist gar nicht so einfach.
Wie geht es euch damit? Erzählt ihr euren Freunden, dass ihr in die Kirche geht? Wissen eure Klassenkameradinnen, dass ihr heute eure Einsegnung feiert? Und: Spielt es im Alltag eine Rolle, dass ihr nach Gott fragt und glaubt? Fragt mal die Erwachsenen, wie es ihnen damit geht. Glauben wird von vielen ganz sehr als Privatsache angesehen. Da passiert es, dass Kollegen erst nach Jahren durch Zufall feststellen, ach, die hält sich auch zu einer Gemeinde. Wusste ich gar nicht. Wie kommt es, dass man das nicht voneinander wusste.
John Wesley, ihr erinnert euch, der Kirchenvater der Methodisten, schämte sich seines Glaubens nicht. Er redete in aller Öffentlichkeit vom Glauben. Er wurde berühmt durch seine Predigten unter freiem Himmel. Aber nicht das Reden war das Entscheidende. Entscheidend für ihn war, der Glauben muss sich zeigen in meinem Leben.
Glauben ist nicht etwas, dass ich verschämt und unsichtbar im stillen Kämmerlein lebe, sondern etwas, das sich zeigt in dem, wie ich lebe, in dem, wie ich meinen Mitmenschen begegne und auch darin, wie ich Entscheidungen treffe. Glauben hinterlässt sichtbare Spuren. Glauben verändert Leben. Die frühen Methodisten waren darum an ganz vielen Stellen engagiert. Sie haben Schulen eröffnet, Gefangene besucht, sich gegen Sklaverei engagiert. Und das hatte etwas damit zu tun, wie Glauben sichtbar gemacht wird.
Wir als Gemeinde stellen uns immer wieder die Frage: Was ist unserer Aufgabe hier vor Ort – Wie wird etwas durch uns von dem sichtbar und spürbar, was Gott für uns getan hat.
Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Ich zeige, was die heilmachende Botschaft von Jesus Christus für mich und für andere bedeutet.
Ihr drei seid auf der Suche, was dieser Glauben für euch und euer Leben bedeutet. Die letzten beiden Jahre habe ich euch bei der Suche intensiver zur Seite gestanden, aber das möchten ich und die Gemeinde auch weiterhin. Und wir wünschen uns sehr, dass ihr zu dem Punkt kommt, an dem ihr sagt: Ja, ich möchte öffentlich zu meinem Glauben stehen. Ich möchte das auch sichtbar leben.
Zur Erklärung für die Gäste: Wir feiern heute Einsegnung – als Abschluss des kirchlichen Unterrichts. Und das hat einen anderen Stellenwert als die Konfirmation in der Landeskirche. Das öffentliche Bekenntnis und die Aufnahme in die volle Kirchengliedschaft ist ein extra Akt, zu dem man sich persönlich entscheiden muss. Wir laden euch dazu ein.
Ich schäme mich meines Glaubens nicht. Er soll sichtbar werden in meinem Leben. Dafür stehen diese schmucken Brillen.
Brillen als Schutz
Diese Brille ist eine Sonnenbrille. Sonnenbrillen schmücken, aber vor allem haben sie eine Schutzfunktion. Sie schützen das Auge vor zu greller Sonneneinstrahlung. Ohne Sonnenbrille müsste ich meine Augen zukneifen, und könnte nur durch einen kleinen Schlitz sehen. Das strengt an, schmerzt auch. Sonnenbrillen sind Schutz und Hilfe zum Sehen. Auch da lässt sich eine Verbindung zum Glauben herstellen.
Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Haben wir vorhin im Psalm 139 gelesen. Und es ist unser aller Wunsch, dass Gott seine schützende Hand über euch hält, dass er euch behütet auf eurem Lebensweg. Im Segen wird dieser Wunsch euch nachher ganz persönlich zugesprochen. Und eure Einsegnungssprüche, die ihr euch selbst ausgewählt habt, erzählen davon, dass Gott euch Schutz und Hilfe ist.
Mit dir mein Gott, springe ich über Mauern.
Doch ich verlasse mich auf deine Liebe,
ich juble über deine Hilfe.
Bei ihm bin ich sicher wie in einer Burg
Ja, Gott möge euch Schutz und Hilfe sein im Leben.
Nicht empfehlenswert: Die rosarote Brille
Hier habe ich noch eine besondere Brille.
(Katharina setzt eine Brille mit rosafarbenen Gläsern auf)
Vor dieser Brille möchte ich euch warnen. Es ist auch nicht sinnvoll, den Glauben wie eine solche Brille zu tragen. Wenn ich hier durchschaue, sieht alles rosarot aus. Das Graue wird überdeckt mit einem Hauch Rosa. Aber das stimmt nicht. Das Leben ist nicht rosarot. Das wisst ihr Jugendliche schon selbst gut genug. Wenn ich an Jesus Christus glaube, heißt das nicht, dass ich alles nur positiv sehe, als ob das Leben leicht und unbeschwert, ja eben rosarot sei.
Die Brille zum klar sehen
Ich darf und soll als Glaubende realistisch aufs Leben schauen, auch das Dunkle und Schwierige wahrnehmen, ich muss nichts beschönigen. Ich darf auch nicht glauben, mit Gott an meiner Seite kann es mir nur gut gehen. Da wird man irgendwann enttäuscht. Aber ich darf mit Gott reden und auch klagen und mit ihm streiten, warum das Leben manchmal so schwierig ist. Und ich darf ihn bitten: Gib mir Klarheit, schenke mir Orientierung, damit ich weiß, wo ich lang laufen soll.
Auf der schon erwähnten Teeniefreizeit haben wir einmal vor einer Gebetsrunde Gegenstände auf den Tisch in der Mitte gelegt. Die Gegenstände standen für das, für das wir dankbar sein können. Ich habe diese Brille dahin gelegt.
(Katharina setzt ihre Brille auf)
Ich brauche sie zum Autofahren. Ich bin kurzsichtig. Wenn ich ohne Brille Auto fahre, kann ich die Schilder erst dann lesen, wenn es zu spät ist zum Abbiegen. Um den richtigen Weg zu finden, brauche ich diese Brille.
Für mich ist das mit dem christlichen Glauben auch so: Er hilft mir klarer zu sehen. Der Glaube hilft mir zu verstehen und hilft mir Orientierung zu finden. Das Leben bietet uns so viele Möglichkeiten an. Wir können es auf ganz verschiedenen Wegen gehen. Und ich muss mich entscheiden, welchen Weg ich gehe. Das fordert mich heraus. Was ist richtig, was ist falsch, was ist ein guter Weg, und wo führt es mich zum Bösen. Das ist nicht immer eindeutig. Und manche Wege muss man probieren, und stolpert halb blind durchs Leben bis man den rechten Weg rausfindet.
Aber Gott hat uns da Orientierungshilfen gegeben. Sein Wort.
Wir haben uns im Unterricht mit den 10 Geboten und dem Doppelgebot der Liebe beschäftigt. Das sind gute Wegweiser. Und wir uns daran ausrichten, dann sind wir als Christen herausgefordert klar Stellung zu beziehen. Manchmal heißt das auch Nein zu sagen und sich gegen etwas zu entscheiden, gegen Gewalt, gegen Gier, gegen Neid, Raub und Missgunst, gegen Egoismus. Auch wenn sich andere um uns herum nur nach sich selbst und ihrem eigenen Fortkommen ausrichten, Gott richtet unseren Blick auf den anderen und auf ein gutes Miteinander in der Gemeinschaft.
Denn Gott will, dass wir liebend miteinander umgehen. Ja, dass wir in dem anderen das geliebte Geschöpf Gottes sehen.
Unser Glaube ist nur die eine Seite. Glaube ist die Antwort auf das, wie Gott uns begegnet. Wie Gott uns ansieht. Und Gott schaut auf uns durch die Brille der Gnade und der Liebe und der Geduld.
Und an dieser Stelle nun noch ein Wort an die Eltern. Es ist ja auch für euch heute ein besonderer Tag.
Liebe Eltern,
wenn eure nun schon großen Kinder sich mal mit ihrer nicht so charmanten Seite zeigen – Ich weiß, das kommt bei euch nur ganz selten vor, aber ab und an schon. – Liebe Eltern, wenn ihr in solchen angespannten Situationen auf eure Kinder schaut, dann erinnert euch daran, wie Gott sie ansieht. Versucht seine Brille aufzusetzen. Versucht mit seinen gnädigen Augen auf euer Kind zu schauen. Er hat sie mit Liebe gemacht und mit liebenden, gnädigen und geduldigen Augen schaut er sie an und er verliert sie auch nicht aus den Augen.
Vielleicht kennt ihr die Geschichte von Hagar, der Magd Saras. Als die beiden Frauen es miteinander nicht mehr aushielten, läuft Hagar davon. Hagar flieht in die Wüste. Und da geschieht es, dass Gott zu ihr spricht und ihr den Weg weist. Hagar gibt Gott daraufhin einen Namen: Du bist El-Roi. Übersetzt bedeutet der Name: Du bist ein Gott, der mich sieht. Es ist eine meiner Lieblingsstellen in der Bibel.
Liebe Gemeinde, liebe Melani, Lea und Marcel:
Gott sieht euch, Gott liebt euch. Behaltet diesen Blick aufs Leben, ja behaltet den Glauben an diesen liebenden Gott in eurem Lebensgepäck.
Amen